Tape art by Lorin Strohm (assistiert von Anika Väth)

Freitag, 25. März 2011

Identität und Zivilisation. Was ist Mensch, was ist Tier?

FURRY SPECIES vom Institut für Hybridforschung 

Die Erforschung des Mensch-Tier Dualismus löst sich als Monopol der Intellektuellen auf und erobert den öffentlichen Raum: Die individuelle Identitätssuche und -findung sucht sich im 21. Jahrhundert neue Ausdruckswege. Diese führen über die Infragestellung der  vielleicht primärsten Aufteilung der Welt, in Natur und Kultur, Mensch und Tier.

Institut für Hybridforschung © Corinna Korth

Im Mittelpunkt der Suche nach dem neuen ‚Ich’ steht bei der Künstlerin Corinna Korth die (Re-)Konstruktion ihrer animalischen Vergangenheit und ihres animalischen Daseins. Seit 2000 behördlich anerkanntes Mischwesen aus Wolf und Mensch, fährt sie U-Bahn, geht jagen, arbeit als Schäferwolf und Leiterin des Instituts für Hybridforschung. Nach der Reintegration des Wolfes in seine deutschen Gefilde in den 1990er Jahren, reintegriert Corinna Korth den Wolf in ihre menschliche Identität.  Eine durch geistige und körperliche Transformationen gelebte Symbiose, die sie in Photos, Filmen, Performances, Sachbüchern festhält. Identitätsfindung ist hier Kunst, Politik und Chirurgie zugleich.

Corinna Korth holt den Wolf zurück in die Zivilisation, Timothy Treadwell flieht vor der Zivilisation in die Gemeinschaft der Grizzlys nach Alaska. Fünfzehn Sommer lang lebt Timothy Treadwell mit den Bären als wären es Teddys, bis sie ihn schließlich am Ende des Sommers 2003 umbringen. Werner Herzog begibt sich mit seinem 2008 erschienenem Film ‚Grizzly man’ auf Treadwells Spuren und verarbeitet unzählige Stunden an dokumentarischem Filmmaterial. Auf hunderten von Videos hat Treadwell festgehalten wie er sich der Lebensart der Grizzlys aneignet, ihnen auf Schritt und Tritt folgt, lernt Fisch zu fangen wie sie. Im Vordergrund steht in Herzogs Film weniger das, was Treadwell war bevor er seinem wahren ‚Ich‘ in der Form eines Grizzlys begegnete. Vielmehr ist das Augenmerk auf Treadwells Gradwanderung zwischen Mensch und Tier und jenem unüberwindbaren Graben, der schließlich zum seinem Tod führte, gerichtet.

Corinna Korth ist, wie Timothy Treadwell auch, Teil einer Bewegung, die sich auf einer identitätstiftenden Flucht aus der Zivilisation heraus und in die Wildnis hinein befindet. Das Tier in sich zu entdecken, ist nunmehr eine von unendlich vielen Möglichkeiten zu sich selbst zu finden. Vorbei sind die Zeiten in der man sich fürchtete vor der Zoanthropie [gr. zôon Tier, anthrôpos Mensch, Wahnvorstellung, in ein Tier verwandelt zu sein], in der Wehrwölfe gejagt und Mischwesen – man denke an die ominöse Lilith - als Sinnbilder der Sünde aufgestellt wurden. Nachdem uns die letzten Jahrzehnte weiß machen wollten Selbstfindung finde über Aussteigertum, Drogenexzesse und aryurvedischem Yoga statt,  lautet die Botschaft des 21. Jahrhunderts: Geht und suchet, dass ihr das Tier in euch findet!

 © Werner Herzog Filmproduktion

FURRY SPECIES vom Institut für Hybridforschung  ist zu sehen:

KAMPNAGEL Hamburg: 26.04.
BRUT Wien: 08./09.04.
GESSNERALLEE Zürich: 11./12.05
FFT Düsseldorf: 25./27.05

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