Tape art by Lorin Strohm (assistiert von Anika Väth)

Montag, 28. März 2011

Von rauschenden Festen und institutionalisierter Liebe

BIS DAS DER TOD UNS SCHEIDET 
- eine polnische hochzeitsfeier von mariamagdalena & Gästen

Sie hat ein schönes Kleid
Sie hat goldene Haare 
Und ist mein ganzes Glück 

- Der Bräutigam

Das private ist politisch. Eine Hochzeitsperformance, vor allem eine polnische, ist nie nur Herzluftballons und Freivodka für alle.

Was wie eine von diesen Familienhochzeitsfeiern beginnt, die wie ein Gruselkabinett der Peinlichkeiten anmuten und auf denen man sich viel zu früh in einer Polonaise zwischen Bekannten wieder findet, die man viel zu lange nicht gesehen hat, in Zuständen, die man eigentlich überhaupt nicht sehen möchte, bleibt auch ziemlich lange so. Das Bildungsbürgertum rümpft die Nase, alle anderen haben Spaß, und das ist im Theater ja schon fast eine Seltenheit. 

Bis das der Tod uns scheidet © mariamagdalena 

Die Hochzeitsfeier von Mariamagdalena und ihrem Bräutigam ist ausgelassen. Aber im Trubel von Gruppentanz, Hochzeitspielen, Vodka  und sauren Gurken durch den die Theaterbesucher getrieben werden, tauchen doch irgendwann Fragen auf. Fragen nach dem Onkel aus Chipchev der zum nieddriglohn auf dem Bau arbeitet, nach der Kusine die als Pflegehelferin die Lücken des deutschen Sozialsystems stopft. Die Stimmung kollabiert. Nach 6 Stunden ausgelassenem Feiern wurde es auch mal Zeit.

Weitaus wichtiger, und in ihrer Unausgesprochenheit auch radikaler, ist die Frage nach der Hochzeit als  urtypischem und gleichzeitig zeitlosem, ultimativem Ausdruck jeder wahren Liebe. Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre mögen uns zwar eine Alternative vorgevögelt haben, die Hochzeit und ihr Versprechen „love for ever“  bleiben dennoch der unangefochtene Gipfel unserer monogamen Kultur.

Doch die Hochzeit hat sich, auch wenn sie beständig weiter existiert, in ihrer Rolle vollkommen verändert. Vergessen sind die Zeiten in denen Hochzeiten bewährte Außenpolitische Friedens- und Staatsausdehnungsinstrumente und Besiegler ökonomischer Transaktionen darstellten. Heiraten ist heute ein freiwilliger Akt der Liebe, dessen Symbolik sicherlich vor dessen konkreter Tragweite steht. Die Ehe steht nicht mehr im Wiederspruch zur absoluten Freiheit des Individuums, die in der westlichen Gesellschaft des 21. Jahrhundert so groß geschrieben wird.

Was bleibt, ist das Bedürfnis nach einer Offizialisierung der Beziehung, (nebst Pragmatismus, Statussteigerung und Anpassung an sozialen Druck) eine von vier von Jean Kellerhas identifizierten Beweggründen zu heiraten).  Hochzeiten, heute wie damals, sind meist eingebettet in rauschende Feste auf denen viele Gäste feiern (und Mariamagdalena liefert uns ein prächtiges Exemplar einer solchen!), ziehen Eheringe nach sich und werden übermäßig durch Photos verewigt. Alles Wege eine Beziehung in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen. Auch auf ganz formelle Art und Weise spielt die Öffentlichkeit eine Rolle bei der Hochzeit: Die Hochzeitsankündigung wird vier Wochen lang ausgehangen,  die Unterschrift eines Staatsdieners eingeholt, der Name im Ausweis gewechselt. Summa sumarum wird die staatliche Legitimierung einer eigentlich rein privaten Sache eingefordert.

Wenn das Licht ausgeht stehen die Zuschauer, noch ganz benommen von diesem partizipativem Performancemarathon, mit einem Gefühl das irgendwo zwischen heiter, peinlich berührt und iritiert oszilliert, am Rande der Tanzfläche. Neue Erkenntnisse über Entkulturalisierung und Ausbeutung im Zuge der Globalisierung sind leider ausgeblieben, aber Mariamagdalena hat soeben das Thema Hochzeit, welches wohl das Gehalt einer ganzen Armee an Frauenzeitschrifstredakteuren sichert, in die Sphären des Off-Theaters befördert.
Georges Brassens - La non-demande en marriage

 Georges Brassens © Philips 


BIS DAS DER TOD UNS SCHEIDET  - eine polnische hochzeitsfeier von mariamagdalena & Gästen ist zu sehen:

BRUT Wien: 08.04.
GESSNERALLEE Zürich: 14.05.

FFT Düsseldorf: 28.05.

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